Rückblick: Das Festival Literatur JETZT! im Jahr 2019

Vom 25. bis zum 29. September 2019 fand die elfte Ausgabe von „Literatur Jetzt!“ statt, dem Dresdner Festival zeitgenössischer Literatur. Unser Lesefest gab sich selbst durch einige Neuerungen frischen Schwung: Ein erweitertes, nun deutlich weiblicheres Team organisierte das Festival erstmals mit dem Zentralwerk in Pieschen als neuem Zentrum. Das Programm wie auch der faszinierende Ort lockten ein vielfältiges Publikum an, das auch nach den Lesungen noch lange blieb, um zu feiern und mit den Schriftstellerinnen und Schriftstellern ins Gespräch zu kommen. Insgesamt besuchten etwa 2000 Gäste die 20 Veranstaltungen im Zentralwerk, der Schauburg und der Scheune, bei denen mehr als fünfzig Künstlerinnen und Künstler mitwirkten.

Ein Höhepunkt war schon die Eröffnung am Mittwoch (25. September): Vorgestellt und musikalisch begrüßt von der Dresdner Sängerin Anna Mateur stellte der Wiener Comicautor Nicolas Mahler sein Werk vor. In Wort und Bild zeigte Mahler seinen trockenen, unprätentiösen Witz, aber auch seine Belesenheit, die ihn immer wieder zu Comicadaptionen von Klassikern der Weltliteratur anregt. Mehr als 200 Besucher folgten dem Vortrag des ihnen vielfach bis dahin unbekannten Künstlers gespannt und schließlich begeistert, bevor Anna Mateur gemeinsam mit ihrem Gitarristen Samuel Halscheidt das Programm mit Liedern beschloss. Im Anschluss feierte das Publikum noch lange zur Musik des Dresdner Schriftstellers Marcel Beyer, der an diesem Abend als DJ fungierte.

 

Eine Ausstellung mit Werken von Nicolas Mahler war während des gesamten Festivals im Saal des Zentralwerks für das Dresdner Publikum zu besichtigen – eine Gelegenheit, die besonders Comicfreunde nutzten.

Der zweite Festivaltag am Donnerstag (26. September) bot ein sehr vielfältiges Programm: In sonst unzugänglichen Ateliers des Zentralwerkes erlebten Freunde der Lyrik den beim Festival traditionsreichen Abend der Dichtkunst, diesmal unter dem Titel „Zentralwerk der Poesie“. In verschiedenen Räumen lasen ab 19 Uhr diesmal Sina Klein, Martin Piekar und Marcel Beyer aus ihren Gedichten. Die musikalische Begleitung lag in den Händen des Trompeters Mario Faust.

Zur gleichen Zeit fanden sich viele Freunde der Kriminalliteratur im Saal des Zentralwerkes zum Maigret-Abend ein. Nach einem Einführungsvortrag des Dresdner Krimiautors Frank Goldammer las der Schauspieler Walter Kreye aus dem Werk von Georges Simenon, der den wohl bekanntesten Detektiv der Literaturgeschichte geschaffen hat.

Unterdessen gab es um 20 Uhr in der Scheune vor vollem Haus im Rahmen unseres Festivals eine Premiere: Zum ersten Mal fand in Dresden der Reporter-Slam statt. Bei der von Jochen Markett erfundenen und moderierten Veranstaltung erzählen Journalistinnen und Journalisten von ihren lustigsten und aufregendsten Recherchen. Das Publikum kürt am Ende Sieger oder Siegerin. An diesem Abend erzählte Josa-Mania Schlegel (ZEIT im Osten) davon, wie er als Praktikant der ZEIT zum AfD-Stammtisch Mittelthüringen gehen musste. Juliane Schiemenz (Reportagen) stellte ihre preisgekrönte Recherche zum härtesten Baum von Berlin vor. Alex Rühle (Süddeutsche Zeitung) nahm die Zuschauer mit auf eine Reise zu den „Pleiten, Pech und Pannen“ seiner journalistischen Laufbahn. Franziska Klemenz (Sächsische Zeitung) sprach über ihr Idealbild einer Reporterin. Und Cornelius Pollmer holte sich den Sieg des Abends – dank seiner Geschichte einer Partyzugfahrt zum Spring Break nach Kroatien. Johannes Schneider und Simon Wörpel alias Bommi und Brummi spielten als musikalische Begleitung ihren Claas-Reloti-Blues – und nach der Pause zum ersten Mal auf einer Bühne den gefeierten Christian-Lindner-Parodie-Song „Ich will nicht verzichten“.

 

Im Zentralwerk las zum Abschluss des zweiten Festivaltages sodann Karen Köhler um 21 Uhr aus ihrem vieldiskutierten und für den Deutschen Buchpreis nominierten Roman „Miroloi“ über die Auflehnung einer jungen Frau in einer abgeschotteten Gesellschaft. Die Lesung wurde moderiert von Claudius Nießen.

 

Am Freitag (27. September) begrüßten wir bei „Literatur Jetzt!“ im Zentralwerk um 19 Uhr den wohl prominentesten Gast dieses Jahres: den Romancier Feridun Zaimoglu. Passend zur Lesung aus dem Roman „Die Geschichte der Frau“, einer vielstimmigen Erzählung weiblicher Geschichte, eröffnete der Dresdner Frauenchor „Die Chorallen“ musikalisch den Abend. Seine Sicht auf die Weiblichkeit schilderte Zaimoglu im Gespräch mit der Moderatorin Bettina Baltschev.

 

Um 21 Uhr folgte im Saal des Zentralwerkes am Freitag die traditionelle „Nacht der Lesebühnen“, diesmal mit einer Spezialausgabe zum Jubiläum „30 Jahre Berliner Lesebühnen“ und dem gleichnamigen, im Satyr Verlag erschienenen Buch. Als Repräsentanten für das Genre der Lesebühnen waren drei Autoren und eine Autorin aus Berlin zu Gast: der Lesebühnenurvater Ahne von der Reformbühne Heim & Welt, der auch eines seiner beliebten „Zwiegespräche mit Gott“ zum Besten gab; der Romancier, Rikscha-Fahrer und Berlin-Experte Falko Hennig, Tilman Birr von der Lesebühne Zentralkomitee Deluxe, der mit seiner Gitarre den musikalischen Part übernahm; sowie Lea Streisand von der weiblichen Lesebühne Rakete 2000, die unter anderem aus ihrem neuen Roman „Hufeland, Ecke Bötzow“ las. Etwa 100 Gäste verfolgten die Show.

Zum Siedepunkt gebracht wurde der Freitagabend mit einem Konzert von Lokalhelden: Max Rademann und Falk Töpfer aka. The Equipment heizten mit ihren kompromisslosen Disko-Hits ordentlich ein, brachten den Saal zum Schwingen und die Leute zum Tanzen. Volltreffer!

 

Der Sonnabend (28. September) war er ereignisreichste Festivaltag von allen. Los ging es im Zentralwerk schon um 17 Uhr mit zwei Lesungen: Die Leipziger Autorin Isabelle Lehn las aus ihrem autofiktionalen Roman „Frühlings Erwachen“, der Hamburger Schriftsteller Anselm Neft aus seinem neuen Roman „Die bessere Geschichte“ über sexuelle Gewalt und Manipulation.

 

Um 19 Uhr folgte der auch als Drehbuchautor bekannte Autor David Schalko aus Wien, der in einer von Zita Bereuter moderierten Lesung seinen neuen Roman „Schwere Knochen“ vorstellte, in dem er von der schillernden Verbrecherszene in der österreichische Nachkriegsgesellschaft erzählt.

Um 21 Uhr folgte am Samstagabend eine weitere Premiere bei unserem Festival: Erstmals gastierte in Dresden die in Leipzig erfolgreiche Literaturshow „Die schlecht gemalte Deutschlandfahne“ von und mit Isabelle Lehn und Rebecca Salentin. Die beiden Gastgeberinnen begrüßten die Musikjournalistin und Romanautorin Marion Brasch, die nicht nur las, sondern auch aus der Geschichte ihrer berühmten Künstlerfamilie erzählte. Auch an Scherz, Spiel und Trunk mangelte es dieser Show nicht.

 

Das Finale am Samstag lieferten Sebastian Stuertz und Nikolaus Woernle mit ihrer Band Subjoint. Live verkörperten sie die Band Toytonic Swing Ensemble aus den 70er Jahren, die im Debütroman „Das eiserne Herz des Charlie Berg“ von Sebastian Stuertz eine Hauptrolle spielt. Geschickt verwoben die beiden auf der Bühne Textausschnitte und Bilder mit stimmungsvoller Musik und gaben so einen guten Vorgeschmack auf das inzwischen erschienene Buch.

Am Sonntag (29. September) ging das Festival leider schon zuende. Bei einer Matinee stellte Lola Randl um 11 Uhr im passend dekorierten Nebensaal des Zentralwerks ihren neuen Roman „Der große Garten“ vor, der sich – wie schon ihr erfolgreicher Film „Von Bienen und Blumen“ – mit der Flucht aufs Land und den damit verbundenen Glücksmomenten und Schwierigkeiten beschäftigt. Die Lesung moderierte Katrin Schumacher vom MDR.

Erstmals fand 2019 unter dem Titel „Literatur Fetzt!“ ein von Maike Beier kuratiertes Kinderliteraturfest parallel zu „Literatur Jetzt!“ statt. Am Sonntag kamen dazu zuerst Német und Schmidt mit ihrem Bilderbuch „Das schrecklichste Monster der Welt“ ins Zentralwerk, danach Katja Gehrmann mit ihrem Kinderbuch „Stadtbär“ und schließlich Kai Pannen, der den Helden seines Buches „Zombert oder der mutige Angsthase“ zur Freude der kleinen Gäste sogar persönlich mitbrachte.

 

 

Zum Abschluss des Festivals begrüßten wir am Sonntagabend Anne-Dore Krohn und Denis Scheck im Filmtheater Schauburg. Zum 200. Geburtstag des Schriftstellers Theodor Fontanes präsentierten die beiden unter dem Titel „Menschen ohne Humor sind mir schrecklich“ eine abwechslungsreiche Revue über das Leben, das Werk und die Gegenwart des großen preußischen Dichters.

 

Alle Fotografien in diesem Rückblick stammen von Peter R. Fischer. Keine Nutzung ohne Genehmigung!

Die nächste, dann zwölfte Ausgabe von „Literatur Jetzt!“ wird vom 23. bis 27. September 2020 stattfinden. Nähere Informationen zum Programm und den Autorinnen und Autoren folgen bald auf dieser Seite. Wir freuen uns schon jetzt auf Euren/Ihren Besuch!