Rückblick: Das Festival Literatur JETZT! im Jahr 2021

Vom 22. bis zum 26. September 2021 fand – zum dritten Mal im Zentralwerk in Dresden-Pieschen – die dreizehnte Ausgabe von Literatur JETZT! statt, dem Festival zeitgenössischer Literatur in Dresden. Gefördert wurde es nicht nur wie jedes Jahr von der Kulturstiftung des Freistaates Sachsen und der Landeshauptstadt Dresden, Amt für Kultur und Denkmalschutz, sondern diesmal auch durch das Programm „Neustart Literatur“ des Deutschen Literaturfonds im Rahmen des Programms „Neustart Kultur“ der Bundesregierung. Wir danken den Förderern, die es uns erstmals möglich machten, schon das ganze Jahr über mit Veranstaltungen in Dresden präsent zu sein: In Kooperation mit dem Societaetstheater präsentierten wir am 7. Juni eine Warm-up-Lesung zum Festival mit Simon Urban, der sich mit der Juristin Prof. Dr. Elisa Hoven über seinen Roman „Wie alles begann und wer dabei umkam“ unterhielt, und am 12. Juli eine weitere Lesung von Friedrich von Borries („Fest der Folgenlosigkeit“). Am 17. September waren wir die Dresdner Kooperationspartner beim bundesweiten Leseclubfestival. Im Zusammenarbeit mit dem Kulturzentrum Scheune ging im Rahmen der Abschiedswoche „Scheune Abriss“ am 18. September schließlich unter dem Titel „Beyond Sprech“ eine spektakuläre Spoken-Word-Show mit den Poet:innen Tanasgol Sabbagh, Dalibor und John Sauter sowie musikalischer Begleitung durch das Feature Ring Trio (Demian Kappenstein, Eren Solak, Felix-Otto Jacobi) über die Bühne.

Das eigentliche Festival begann am Mittwoch, den 22. September, nach Eröffnungsworten von Juliane Hanka und Helge Pfannenschmidt aus unserem Team, mit einer Lesung von Daniel Kehlmann. Was für ein Auftakt! Nachdenklich, erhellend und lustig zugleich ging es zu, als der Autor mit Ijoma Mangold (DIE ZEIT) über seinen Roman „Tyll“ sprach. Die beiden unterhielten sich über die Figur des Narren, über Geschichte und Fiktion und das bis heute nicht einfache Verhältnis zwischen Wissenschaft, Religion und Politik. Aber die Gäste erfuhren auch etwas über Daniel Kehlmanns neueste Projekte. Und sie erlebten, was für ein hervorragender Vorleser er ist!

Ijoma Mangold und Daniel Kehlmann. Foto: Peter Fischer
Das Publikum zum Festivalauftakt. Foto: Peter Fischer

Am Donnerstag (23. September) fand der lyrische Rundgang Zentralwerk der Poesie mit musikalischer Begleitung durch Mario Faust wie inzwischen schon traditionell ein interessiertes Publikum. Martina Hefter, Nadja Küchenmeister und Arne Rautenberg lasen aus ihren aktuellen Gedichtbänden. Lisa Krusche plauderte unterdessen im Kleinen Saal mit Tilman Strasser über ihren Debütroman „Unsere anarchistischen Herzen“, über das Leben zweier einsamer Teenager, deren Leben sich exakt in der Mitte des Romans, auf Seite 222, an einem Kiosk kreuzt und dadurch „instantly“ besser wird. Dann ging bei uns der 3. Dresdner Reporter Slam mit Moderator Jochen Markett über die Bühne – von dem man mit Recht behaupten darf, dass er der bisher spannendste war: Uta Eisenhardt berichtete von einem ebenso brutalen wie absurden Mord, Claudia Euen von der Anmut der Vogelspinne, Martin Machowecz von einem Krokodilalarm an der Unstrut, Cornelius Pollmer von einer Weltuntergangsfestung in Panama und Josa-Mania Schlegel vom ehemaligen afghanischen Kommunikationsminister, der in Leipzig zum Essenslieferanten auf dem Fahrrad avancierte. Wir gratulieren Josa Mania-Schlegel zum grandiosen Sieg! Sehr angetan war das Publikum aber auch von der musikalischen Begleitung durch das Duo Bommi und Brummi.

Lisa Krusche. Foto: Peter Fischer
Nadja Küchenmeister bei ihrer Lesung. Foto: Peter Fischer
Jochen Markett, Josa-Mania Schlegel, Martin Machowecz, Johannes Schneider, Cornelius Pollmer, Claudia Euen, Uta Eisenhardt, Simon Wörpel (v.l.n.r.). Foto: Peter Fischer

Volle Hütte gab’s im Zentralwerk am dritten Tag unseres Festivals. Zum Auftakt am Freitag (24. September) füllte die Wiener Künstlerin und Schriftstellerin Stefanie Sargnagel gleich den Großen Saal, unterhielt sich mit der Literaturkritikerin Marlen Hobrack und das Publikum bestens mit den Jugenderinnerungen ihres Romans „Dicht“. Im ebenfalls vollen Kleinen Saal begeisterten danach Paul Bokowski, André Herrmann und Sebastian Lehmann von der Lesebühne Fuchs & Söhne das Publikum mit ihren heiteren Geschichten und Dialogen über Alltagsamok, mitmenschliche Dummheit, Elternanrufe und die Leiden bei der Stadtflucht. Leider als Söhne ohne Fuchs, denn Kirsten war kurzfristig erkrankt, aber die Stimmung war dennoch bestens. Auch zur experimentellen Show Kurz und klein – Late Night Film Spezial am sehr späten Abend fanden sich noch reichlich Gäste ein. Moderiert von Journalistin Heike Schwarzer und Filmemacher Michael Sommermeyer präsentierten eine Autorin, ein Autor und ein Musiker Texte und Klänge zu gefundenen Schmalfilmen. Franziska Wilhelm entführte uns ins alte Thüringen, Roman Israel ins fast gegenwärtige New York und Jan Heinke begleitete mit Musik historisches Filmmaterial.

Stefanie Sargnagel. Foto: Peter Fischer
Paul Bokowski, Sebastian Lehmann, André Herrmann (v.l.n.r.). Foto: Peter Fischer
Franziska Wilhelm, Roman Israel, Michael Sommermeyer, Heike Schwarzer, Jan Heinke (v.l.n.r.). Foto: Peter Fischer

Auch der Sonnabend (25. September) war ein Tag voller Höhepunkte. Im Kleinen Saal begegneten sich zwei Autorinnen mit ihren neuen Romanen: Ulrike Almut Sandig („Monster wie wir“) und Karosh Taha („Im Bauch der Königin“) sprachen mit Annett Gröschner über Gewalterfahrungen zwischen Humor und Härte. Der Kulturjournalist und Schriftsteller Peter Richter unterhielt sich sodann im Großen Saal mit Susann Bürger ganz wunderbar beschwingt über die amerikanische Gesellschaft. In seinem Roman „August“ erzählt er von deutschen Auswanderern, die es in die USA verschlagen hat. Während der Autor noch viele Autogramme gab, wurde im Hintergrund schon für die große Pop & Poesie-Show aufgebaut. Für die kurzfristig verhinderte Sarah Lesch sprang spontan der Schauspieler und Musiker Christian Friedel ein, dem wir sehr herzlich danken. Mit ihm zu Gast waren Roy Bianco & Die Abbrunzati Boys und Claudia Muntschick von der Band Goldner Anker. Mit den beiden charmanten Gastgebern Mario Cetti und Falk Töpfer philosophierten sie über die Bedeutung von Texten in der Musik, lösten knifflige Musikrätsel und trugen am Ende „Über den Wolken“ in dringend notwendiger sprachlicher Überarbeitung vor. Es war ein Fest! Am Samstag begann aber auch unser Kinderprogramm unter dem Titel Literatur FETZT! Die Jüngsten lernten schon am Vormittag mit dem Poet:innen Julia Dathe, Patrick Wilden und Juliane Ziese beim wunderbaren POEDU-Workshop, wie man mit Worten spielt. Die beeindruckenden Ergebnisse präsentierten sie im Anschluss. Finn-Ole Heinrich suchte mit ihnen dann den „Reuber“ im Roman „Die Reise zum Mittelpunkt des Waldes“. Reinhard Kleist präsentierte danach seine Graphic Novel „Der Boxer“, die von der dramatischen Geschichte von Hertzko Haft im Nationalsozialismus erzählt.

Maike Beier, die Organisatorin von Literatur FETZT! mit kleinen Gästen. Foto: Peter Fischer.
Ulrike Almut Sandig, Karosh Taha, Annett Gröschner (v.l.n.r.). Foto: Peter Fischer
Susann Bürger und Peter Richter. Foto: Peter Fischer
Christian Friedel. Foto: Peter Fischer
Christian Friedel, Mario Cetti, Claudia Muntschick, Falk Töpfer, Roy Bianco & Abbrunzati Boys (v.l.n.r.). Foto: Peter Fischer

Zum Abschluss des Festivals begrüßten wir am Sonntag (26. September) zur Matinee Antje Ravik Strubel, die aus ihrem Roman „Blaue Frau“ las und sich über das Buch mit Ellen Schweda unterhielt. Inzwischen wurde ihr für ihren Roman der Deutsche Buchpreis des Jahres 2021 zugesprochen! Den ganzen Tag lang tobte auch noch unser Kinder- und Jugendlesefest Literatur FETZT! durchs Zentralwerk. Zu erleben gab es Jörg Mühle mit dem Bilderbuch „Zwei für mich, einer für dich“, Torben Kuhlmanns „Einstein – Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit“ sowie das Lexikon für Kinder „AnyBody – für alle, die einen Körper haben“ von Katharina von der Gathen und Anke Kuhl.

Antje Ravik Strubel. Foto: Peter Fischer
Torben Kuhlmann bei der Signierstunde. Foto: Peter Fischer

Wir bedanken uns bei über fünfzig Mitwirkenden, die bei unserem Festival in diesem Jahr knapp zwanzig Veranstaltungen möglich gemacht haben. Trotz mehrerer kurzfristiger Absagen, Platzbeschränkungen und der bei vielen Menschen noch spürbaren Unsicherheit in Zeiten der Corona-Pandemie konnten wir mehr als 1000 Besucherinnen und Besucher im Zentralwerk begrüßen. Auch ihnen danken wir herzlich! Wir freuen uns auf die nächste Ausgabe im September 2022, dann hoffentlich wieder unbeschwert.

Das Festivalteam 2021: Christiane Michel, Michael Bittner, Odile Vassas, Claudia Gansow, Volker Sielaff, Maike Beier, Helge Pfannenschmidt, Michaela Jarosch, Juliane Hanka (v.l.n.r.). Foto: Peter Fischer. Nicht im Bild, aber auch wichtig: Marcel Beyer, Karina Fenner, Mareile Flatt-Beier, Romy Jaehnig.